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Sharon spendete Stammzellen an ihren kranken Vater und arbeitet jetzt mit uns

Allgemeines | Mo, 14.2.2022 | 14:30

Von der Stammzellspenderin für den Vater zur Mitarbeiterin

Unsere neue Mitarbeiterin Sharon hat eine berührende Geschichte zu erzählen. Sie ließ sich für ihren an Leukämie erkrankten Vater typisieren, spendete ihm ihre gesunden Stammzellen, organisierte mit uns Typisierungsaktionen und war von der lebensrettenden Stammzellspende so beeindruckt, dass sie nun bei uns im Team mitarbeitet.

"Mein Vater, Mag. John Chacko Pallikunnel war 27 Jahre lang leidenschaftlicher Zeichen- und Werklehrer am Sacre Coeur in Pressbaum. Er ist Ende November 2018 in Pension gegangen. Endlich in Pension, da wollten meine Eltern noch etwas die Welt sehen und sind bald darauf über Weihnachten für einige Wochen nach Australien, Neuseeland und Singapur geflogen. Mein Vater ist danach noch etwas in Israel und Mumbai, Indien herumgereist.

Im Mai 2019 war ich, Sharon, dann mit meinen Eltern in Medjugorje, einem Wallfahrtsort in Bosnien-Herzegowina. Es war ein ziemlich langer und steiniger Weg am Erscheinungsberg zur Marienstatue. Dennoch, mit dem Ziel vor Augen, die Statue zu sehen, machten wir uns auf den harten und weiten Weg. Und wir schafften es. Doch wir wussten nicht, was für eine wichtige Rolle dieser Weg für uns noch spielen würde. 

Eines späten Abends, nur vier Monate später am 12. September 2019, bekam ich einen Anruf meiner Mutter. Sie weinte bitterlich und ich verstand sie zuerst gar nicht. Aber dann konnte ich die Wörter "Papa" und "Onkologie" verstehen. Es war für mich ein derartiger Schlag ins Gesicht, dass ich nicht mehr wusste, wo oben oder unten ist. Es war schon fast Mitternacht, deshalb konnten mein Mann Pinto und ich nicht mehr zu meinem Vater fahren, der dank der Aufmerksamkeit meiner Mutter und der darauffolgenden Reaktion meiner Schwester Shanon, die Ärztin ist, ziemlich schnell ins Wilhelminenspital, aufgenommen wurde. Plötzlich war unser aller Leben auf den Kopf gestellt worden.

Irgendwie die Nacht überstanden, machte ich mich auf ins Geschäft, um ganz viele schöne Erinnerungsfotos auszudrucken. Ich wusste nicht, wie ich sonst helfen konnte. Als gelernte Kindergartenpädagogin war ich medizinisch nicht bewandert und machte sonst auch gerne große Bögen um Spitäler. Ich fand das Bild mit meinem Vater und dem Kreuz in Medjugorje und das musste ich auch unbedingt für ihn ausdrucken. 

Ich hatte bestimmt um die 40 Fotos dabei. Als ich meinem Vater im Spital den Pack Fotos in die Hand drückte, betrachtete er genau das Bild aus Medjugorje viel näher und länger an.

Wir haben die steinigen Wege nicht gemieden. Wir haben uns durchgeschlagen, um ans Ziel zu gelangen. Meine Mutter ist dort sogar ungut gestürzt, aber wieder aufgestanden. Hand in Hand mit meinem Vater haben sie es wieder zurückgeschafft. Das war eine wirklich gute Vorbereitung auf das, was auf uns alles noch zukam.

Die Chemotherapie fing noch am selben Tag, den 13. September 2019, am späten Abend an, als sich die Diagnosen AML und ein Tumor hinter der Aorta bestätigten. Der Tumor konnte nach der 1. Chemotherapie nicht mehr festgestellt werden. Ich blieb bei meinem Vater, da wir überhaupt keine Ahnung hatten, wie das Ganze ablaufen würde und alleine sollte niemand in so einer Situation sein müssen.

Um meinen Vater auf positive Gedanken zu bringen, klebte ich immer wieder viele Fotos und selbstgemalte Bilder in seinem Zimmer auf. Mein Vater war schon immer ein Künstler und visueller Mensch. Meine Bilder sollten ihm auch als Impuls zum Malen dienen. Wir hatten immer Malutensilien für ihn bereitgestellt.

Nach vier ganzen Zyklen mit ganz vielen Höhen und Tiefen (Hirnblutung und Operation Oktober 2019/Neurochirurgie SMZ Ost und ein epileptischer Anfall im November 2019 kurz nach Entlassung am 21.11./ wieder Aufnahme wegen Anfall am 23.11. ins Wilhelminenspital/Stroke Unit) und einigen kurzen Unterbrechungen daheim, war mein Vater einige Tage vor dem Lockdown im März 2020, entlassen worden. Wir sahen uns ca. zwei ganze Monate nicht, da wir Angst vor dem Virus hatten und meinen Vater schützen wollten. Er war nach den Chemos sehr anfällig für Infektionen.

Ca. zehn Monate war alles im grünen Bereich, doch dann zeigte sich wieder etwas im Blutbild. Wir standen wieder am Anfang, nur mit etwas mehr Erfahrung, aber während der Corona Pandemie. 

Mein Vater erhielt wieder eine Chemotherapie, um die kranken Zellen zu verdrängen und langsam kam das Thema Stammzelltransplantation zum Vorschein. Wir wussten nichts über das Thema und ich fand auf Facebook einige Gruppen über Stammzelltransplantationen (fb: z.B. Bone marrow transplant survivors) und wollte mich so darüber informieren. Viele Menschen, die betroffen waren, tauschten sich in diesen Gruppen aus. Auch viele Angehörige haben ihre Erfahrungswerte geteilt. Das war für mich eine sehr große Hilfe.

So bekam ich immer mehr Einblick in das Thema und konnte für meine Eltern sogar ein Ehepaar aus den USA ausfindig machen, die sich dazu bereit erklärten, mit meinen Eltern über Videochat zu kommunizieren. Laurie und David D. erzählten von sich und ihrem Weg. David hatte eine Stammzelltransplantation im ungefähr gleichen Alter meines Vaters durchgestanden und Laurie pflegte ihn über die ganze Zeit. Dieses Gespräch war ein großer Segen, da viele Fragen beantwortet werden konnten. Das Eis war da schon etwas gebrochen worden zum Vorteil der Stammzelltransplantation.

Aber es war so schwer für meine Eltern, eine Entscheidung zu treffen, da die Optionen zuerst alle sehr beängstigend klangen. Mein Vater war ja schon über 65 Jahre alt und die Prognosen haben für ganz schön viel Verwirrung gesorgt.

Die Prognose waren, wie wir sie verstanden hatten: ~30% schaffen es nicht, ~40% haben einen schweren Verlauf mit starker GvHD, ~30% haben einen guten Verlauf mit eventuell leichter GvHD. (GvHD = Graft vs. Host Disease, das sind  Abstossungserscheinungen der Krankheit).

Aber die Gespräche mit Laurie und David und unterschiedlichen Ärzten, aber auch mein Gefühl haben uns immer mehr zur Stammzelltransplantation tendieren lassen. Mein Vater hatte die gesamten Chemotherapien ganz gut gemeistert. Er war positiv eingestellt und war in meinen Augen seit Beginn an ein Kämpfer. Dies hat mich sehr an ihn glauben lassen. Aber eine Entscheidung über Leben und Tod zu treffen, war etwas, das viel Zeit, Nerven und Energie kostete. Wer sollte der/die SpenderIn sein?

In der gesamten Stammzelldatenbank kam weltweit kein Spender in Frage. Alle Geschwister meines Vaters waren im Ausland. Sie waren zu alt oder hatten schon gesundheitliche Beschwerden, also kamen sie auch nicht in Frage.

So, nun wurden wir Kinder im AKH getestet. Während dieses Zeitraums fragte ich in den Facebookgruppen nach, ob dort Leute auch privat nach Spendern gesucht hatten und sie erwähnten etwas von "drives", also Fahrten.

So kam ich auf die Idee, mich einmal im Internet über eine private Stammzellspendersuche in Österreich schlau zu machen. Ich stieß auf den Verein Geben für Leben und schrieb sofort eine E-Mail an die Organisation. Schnell bekam ich eine Rückmeldung vom Herrn Walter Brenner, der mir gleich schrieb, dass eine Typisierungsaktion möglich sei und dass die Organisation mich dabei unterstützen möchte.

In der Zwischenzeit, da die Zeit schon drängte, wurde ich als Haplo-Spenderin (Familie, 50% Match) für meinen Vater, gewählt. Dennoch wollte ich dieses Thema mehr unter die Leute und gezielt unter die indische Gemeinde bringen, da die Ethnie auch eine wichtige Rolle für einen guten bis perfekten Match spielen kann. 

Eine Typisierungsaktion sollte stattfinden, da dieses Thema mehr Aufmerksamkeit verdiente. Und da diese Aktion im Namen meines Vaters stand, war es etwas Besonderes. Genau einen Tag nach meiner Stammzellspende und der Transplantation im AKH fand am 19.Juni 2021 die Typisierungsaktion von Geben für Leben für meinen Vater statt.

Dort lernte ich Katharina kennen, die für das Team Ost zuständig war, und ihr Team von Geben für Leben kennen. Ich war verblüfft über all die Unterstützung, die mein Mann Pinto und ich bekamen. Viele aus meiner Familie und meinen Freunden packten auch mit an und es war ein bewegendes und berührendes Event.

Eine Party fürs Leben fand statt. Ich hoffte auf mind. 50 Leute, die sich typisieren lassen. Am Ende waren es 72 und ich war sehr glücklich - nicht nur über die Anzahl, sondern weil ich auch einige Gesichter sah, die ich viele Jahre lang nicht gesehen hatte.

Geben für Leben hat mir in dieser Zeit geholfen, auf positive Gedanken zu kommen. Diese Zeit war eigentlich bitter, aber sie wurde mir auch versüßt. Ganz bestimmt hat mein Vater diese Kraft und Bewegung für ihn auch spüren können.

Genau aus dem Grund war ich so glücklich, als Katharina mir vorschlug, Teil des Teams zu werden und zu Typisierungsaktionen mitzufahren. Ich wusste ja, was dieses Event damals für mich bedeutete und diese Kraft und Bewegung weiterzugeben, hat sich sehr richtig angefühlt.

Die Stammzellspende am 18.Juni 2021 war eine meiner besten Erfahrungen, da ich enorm daran gewachsen bin. Ich musste über sämtliche meiner Schatten springen (Spritzen u. Nadelphobie). Aber am meisten war es besonders, weil ich meinem Vater meine Liebe endlich auch zeigen konnte. Die enorme Wichtigkeit dieser Stammzellspende ließ meine Angst sehr klein aussehen. Durch die eigene mentale Vorbereitung war ich für die gesamte Zeit von der Vorbereitung bis zur Stammzellspende (ca. 5 Tage) wie ausgewechselt. Ich war ja nicht nur Stammzellspenderin, sondern auch enge Angehörige, die über die ganze Zeit davor und auch danach durchgehend mitzitterte.

Meine liebe Schwester Shanon stand mir an diesem Tag zur Seite. Ich war verblüfft, dass die Spende so einfach von Statten ging. Ich lag sechseinhalb Stunden lang still in einem bequemen Bett. Lediglich die Stiche waren „ein wenig“ beunruhigend für mich. Aber der Rest verlief ohne Hindernisse und ich versuchte, in dieser Zeit bewusst gute Energie mit meinen Stammzellen in den Beutel zu senden. Ich hörte weder Musik noch schaute ich mir etwas im Fernsehen an.

Ich hatte im April 2021 eine Instagram Seite namens "donorfordad" angelegt, die mir auch selber geholfen hat, vieles zu verarbeiten und ca. weitere 25-30 Leute dazu bewegt hat, sich online typisieren zu lassen.

Jeder gute Tag ist ein Geschenk und so lebe ich mein Leben jetzt. Am 26.September 2021 war der Tag +100 nach der Stammzell-Transplantation. Da wurde ein wichtiger Meilenstein erreicht. Ich bin dankbar, dass wir als Familie Weihnachten und Silvester 2021 verbringen konnten. Am 03.01.2022 war der 39. Hochzeitstag meiner Eltern. 

Mein Vater hat eine ziemlich harte Zeit durchlebt, aber immer mit einem Lächeln alles hingenommen. Seine Einstellung war und ist einfach nur vorbildlich. Er ist mein größtes Idol, weil er uns aufgebaut hat mit seiner bewundernswerten Haltung. Meine Mutter Philomena war immer tapfer an der Seite meines Vaters. Sie kochte fast täglich indisches Essen und brachte es ins Spital oder schickte es uns für ihn mit, um ihm ein Gefühl von Zuhause zu geben.

Meine Schwester Shanon hat meinem Vater in allen medizinischen Dingen geholfen und trotz ihres harten Jobs als Ärztin, eine enorme Last von unseren Schultern genommen. Mein Mann Pinto war immer zur Stelle, wenn uns dreien die Puste ausging. Ich hatte immer Bilder gemalt und Fotos in sein Spitalzimmer geklebt, mit der Absicht, seine Gedanken immer ins Positive zu rücken. Wenn er aufwachte, sollte er seine Familie als allererstes sehen.

Dazu muss ich schreiben, dass ich die Ausbildung zur Kindergartenpädagogin gemacht hatte, ohne zu wissen warum eigentlich. Das war nie wirklich mein Traum (Musik war immer mein Traum). Nach ein paar Jahren war ich mit dem Job nicht mehr allzu glücklich. Aber meine Kreativität zu nutzen, das Dokumentieren und auf das Individuum besonders einzugehen, das habe ich gelernt und nun angewandt. Jetzt verstehe ich auch, wozu diese Ausbildung gut war. 

Wir waren ein richtig gutes Team und haben einander aufgefangen!!! Aber während Corona, wo wir nicht oft zu ihm gehen durften, malte mein Vater alle farbenfrohen Bilder für sein Zimmer selber. Es sah fast so aus wie auf einer Vernissage. 

Viele Faktoren spielen eine Rolle, um solch einen Weg irgendwie halbwegs gut mit Ach und Krach zu überstehen. Der unermüdliche Einsatz aller Ärzte, Schwestern/Pfleger und des gesamten Krankenhauspersonals, die heutigen medizinischen Möglichkeiten, der Familienzusammenhalt, die lieben Nachrichten von Freunden und Verwandten, unser Glaube (er war unser Antrieb) und die Organisation Geben für Leben waren auch ein wichtiger Bestandteil davon.

Ich war so froh, als Stammzellspenderin für meinen Vater geeignet zu sein. Eine Suche nach einem/r SpenderIn hätte in dieser kritischen Zeit eventuell zu lange gedauert.

Ich wünsche mir, dass die weltweite Stammzellspenderliste ein enormes Wachstum erfährt, damit jeder Patient mit schweren Blutkrankheiten eine Chance auf Heilung hat. Allein zwei Wattestäbchen können die Geschichte eines hoffnungslosen, schwerkranken Menschen (und definitiv dessen Familie) ins Positive verändern. JEDER gesunde Mensch zwischen 17-45 Jahren kann bis zu seinem/ihrem 61. Geburtstag der Leukämie den Kampf ansagen. Nur, nicht jeder weiß davon und ich möchte gemeinsam mit dem Verein Geben für Leben dabei helfen, diese wichtige Message zu verbreiten.

Alles Liebe, Sharon Thottakkara"

Liebe Sharon, vielen Dank für Deinen Mut und Deinen berührenden Bericht. Es ist schön, Dich bei uns im Team zu haben.

Bild: Sharon und ihr Vater nach der erfolgreichen Stammzellspende - Download Foto


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